🛢Wie hoch werden die Ölpreise noch steigen?

16:22 9. März 2022

Der Ölpreis hat die $130-Marke pro Barrel erreicht, doch die geopolitischen Spannungen könnten ihn noch weiter in die Höhe treiben

Über 100 USD pro Barrel: Ein Ölpreis-Szenario, dass im Jahr 2021 noch höchst unwahrscheinlich zu sein schien. Selbst als die russische Invasion in der Ukraine näher rückte, glaubte kaum einer an mehr als 120 USD pro Barrel. Jetzt sind wir bei 130 USD. Diese gerade noch unwahrscheinlichen Szenarien sind alle Realität geworden. Im Gegensatz zu vielen anderen Rohstoffen, haben die Ölpreise aber noch nicht das Allzeithoch erreicht. Das wirft die folgende Frage auf: Wie hoch kann der Preis noch steigen?

Wie stark ist unsere Ölversorgung gefährdet?

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  • Die russische Ölproduktion beläuft sich auf rund 10 Millionen Barrel pro Tag. Die Hälfte wird in Form von Rohöl exportiert, weitere 3 Millionen in Form von Erdölderivaten. 
  • Der Ölmarkt muss relativ ausgeglichen sein, um Preisschwankungen infolge von Nachfrage- und Angebotsschocks zu vermeiden.
  • Russland exportiert rund 2 Millionen Barrel pro Tag über Pipelines und rund 6 Millionen Barrel pro Tag über Tankschiffe.
  • Die Ausfuhren in die EU belaufen sich auf rund 4 Millionen Barrel pro Tag, wobei rund 1 Millionen Barrel pro Tag über Pipelines exportiert werden.
  • Westliche Unternehmen weigern sich trotz billiger Preise russisches Öl zu kaufen. Das könnte die russischen Exporte bald um 3 Millionen Barrel pro Tag senken. 
  • Das wäre der fünftgrößte Ölversorgungsschock der Geschichte. Der letztgrößere war nach der Kuwait-Krise in den 1990er Jahren.
  • Aktuell hält sich das Risiko eines Nachfrageschocks aber in Grenzen, da sich die weltweite Ölnachfrage noch immer nicht von der Pandemie erholt hat.
  • Insbesondere Europa versucht den Ölbedarf weiter zu senken. Währenddessen wird nach alternativen Anbietern gesucht.
  • Die derzeitige Situation unterscheidet sich zwar von dem Nachfrageschock 2007-2008, dennoch gibt es parallelen, von denen wir lernen können.

Die Ölkrise der 90er Jahre im Vergleich zur aktuellen Situation

Nach der irakischen Invasion in Kuwait in den 1990er Jahren ist das Öl-Angebot um rund 4,5 Millionen Barrel pro Tag abgesackt. Das entsprach damals etwa 7-8 % der weltweiten Nachfrage. Theoretisch ist die aktuelle Situation sehr ähnlich. Zwar ist die heutige Verknappung geringer, doch der Großteil des Öls wird nach Europa exportiert. Nach der Invasion des Irak stiegen die Ölpreise um 140 %, sind aber in weniger als einem Jahr wieder auf das Niveau von vor der Invasion zurückgegangen.

Die derzeitige Preisentwicklung ähnelt dem Ölschock in den 1990er Jahren (Irak-Kuwait-Krieg). Unter der Annahme, dass sich die Preise weiterhin ähnlich verhalten, könnte der Höchststand bei 150 USD pro Barrel erreicht werden. Natürlich ist die Vergangenheit aber kein exakter Indikator für zukünftige Entwicklungen. Quelle: Bloomberg, XTB

Nachfrageschock 2007-2008 im Vergleich zur aktuellen Situation

Wie wir bereits erläutert haben, unterscheidet sich die Situation von damals zur heutigen. Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen: Vor der Invasion in die Ukraine standen Angebot und Nachfrage im Ungleichgewicht. Und eine wesentliche Ähnlichkeit zu 2007-2008 besteht darin, dass wir auch diesmal Gefahr laufen die Nachfrage zu zerstören.

Der aktuelle Kursverlauf ähnelt dem von 2007-2008, mit 2 großen Ausnahmen. Nach der Korrektur im November 2021 schossen die Preise rasant nach oben, was auf eine Marktüberhitzung hindeutet. Und trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ölpreise noch weiter steigen und 150 USD pro Barrel erreichen. Quelle: Bloomberg, XTB

Laufen wir Gefahr, die Nachfrage zu zerstören?

Goldman Sachs veröffentlichte eine interessante Analyse zu den Preisen und einer möglichen Nachfragezerstörung. Die Analysten sind der Ansicht, dass ein Ölpreis von 200 USD pro Barrel eher zu einem ausgeglichenen Markt führe, wenn die Nachfrage um 5-6 Millionen Barrel pro Tag (russische Exporte) sinkt. 2022 rechnet die Investmentbank aber mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 135 USD pro Barrel. Dieser soll sich in einer Preisspanne von 115-175 USD bewegen.

In der Vergangenheit haben wir ca. 3 Millionen Barrel pro Tag des eingefrorenen Angebots für Europa angegeben, was, wenn es auf die ganze Welt verteilt wird (China importiert mehr aus Russland, Europa sucht nach anderen Quellen), einen Preis von ca. 165 USD pro Barrel ergibt. Wenn sich das Angebot jedoch nur auf die Industrieländer beschränkt, könnte die Zerstörung der Nachfrage erst bei Preisen von 215 USD pro Barrel einsetzen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Zerstörung der Nachfrage in einer Rezession endet.

Wird China jetzt mehr russisches Öl kaufen? Wo findet Europa Ersatz?

China

  • China ist in der Lage, das gesamte russische Öl zu kaufen, was Europa nicht will.
  • China importiert derzeit etwa 10 Millionen Barrel Öl pro Tag. In der Spitze waren es sogar 12,7 Millionen.
  • Eine Steigerung der Importe könnte es China ermöglichen, die Reserven wieder aufzufüllen, die seit November 2020 um rund 100 Millionen Barrel gesunken sind.
  • Russland exportiert den Großteil seines Öls mit LR- und MR-Tankern. Für die Menge an Öl das Russland exportiert werden etwa 10 % der weltweit existierenden Schiffe benötigt. China gehören 20 % dieser Tanker, also doppelt so viele wie Russland braucht.
  • Die hohen Frachtpreise könnten allerdings eine Herausforderung darstellen.

Europa

  • Das Nuklearabkommen mit dem Iran: Der Iran verfügt über rund 100 Millionen Barrel Öl in Offshore-Lagern. Eine Einigung könnte 0,5-1,5% bringen.
  • Die USA befinden sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit Venezuela über die Aufhebung der Ölsanktionen. Venezuela könnte dann die Produktion auf rund 1,5 Millionen Barrel pro Tag verdoppeln. Die USA wollen, dass das venezolanische Öl direkt in die Vereinigten Staaten geliefert wird. Dadurch könnten 1-1,5 Millionen Barrel pro Tag der US-Förderung nach Europa verschifft werden.
  • Die Zahl der aktiven Ölbohrungen in den Vereinigten Staaten liegt aktuell bei etwa 500. In der Zeit vor Covid lag sie bei über 800. Jede entspricht einer durchschnittlichen Produktionssteigerung von 1.000 Barrel pro Tag. Die US-Schieferölproduzenten könnten ihre Förderung in diesem Jahr um etwa 300.000 Barrel pro Tag steigern. Die EIA erwartet eine Steigerung um 200.000 Barrel pro Tag.
  • Das Produktionsvolumen der OPEC+ ist um etwa 700.000 Barrel pro Tag niedriger als vereinbart. Das ist jedoch das Ergebnis von Problemen bei der Wiederaufnahme der Produktion.
  • Die OPEC verfügt über ungenutzte Produktionskapazitäten von rund 5 Mio. Barrel pro Tag, die Hälfte davon in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Irak.

Die freien Produktionskapazitäten der OPEC belaufen sich auf rund 5 Millionen Barrel pro Tag, von denen jedoch nur die Hälfte wieder auf den Markt gebracht werden kann. Quelle: xStation 5

Wie viel werden wir zukünftig für Öl bezahlen?

Es ist noch ungewiss, ob Russland beschließen wird, die Ausfuhr von Energierohstoffen zu verbieten oder nicht. Westliche Unternehmen haben jedoch begonnen, sich selbst zu sanktionieren und den Kauf von russischem Öl auf dem Spotmarkt zu stoppen. Wenn das Angebot von bis zu 3 Millionen Barrel pro Tag eingefroren wird, ist ein Preissprung auf 150-165 USD pro Barrel ein durchaus mögliches Szenario. Wenn jedoch mehr als 3 Millionen Barrel eingefroren werden, ist auch ein Preisanstieg auf über 200 USD pro Barrel nicht auszuschließen. Wenn China andererseits mehr russisches Öl kauft, während andere Produzenten ihre Produktion steigern und beginnen, mehr Öl nach Europa zu verkaufen, könnten die Ölpreise schon in diesem Jahr unter 100 USD fallen.

Die Ölpreise klettern in Richtung der Hochs von 2012. Ein Anstieg auf neue Allzeithochs oder sogar über 165 USD könnte jedoch möglich sein. Das optimistischste Szenario sieht einen Rückgang auf unter 100 USD pro Barrel vor, wo der Ölpreis vor der russischen Invasion in der Ukraine notierte. Dennoch bleibt der Markt angespannt und die Preise sind anfällig für Schwankungen. Quelle: xStation 5

Maximilian Wienke, CFTe
Marktanalyst bei XTB
maximilian.wienke@xtb.de

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