Die deutsche Automobilindustrie gilt seit Jahrzehnten als Rückgrat der deutschen Wirtschaft, und ihre Bedeutung reicht weit über die nationalen Grenzen hinaus. Im Folgenden beleuchten wir die Rolle der Automobilbranche im Kontext des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP), ihre Bedeutung für die gesamteuropäische Wirtschaft sowie die aktuellen Herausforderungen und möglichen Zukunftsszenarien.
Deutschlands Automobilindustrie – viele Herausforderungen, aber auch einige Chancen
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► Volkswagen WKN: 766403 | ISIN: DE0007664039 | Ticker: VOW3 ► Mercedes Benz WKN: 710000 | ISIN: DE0007100000 | Ticker: MBG ► BMW WKN: 519000 | ISIN: DE0005190003 | Ticker: BMW ► Tesla WKN: A1CX3T | ISIN: US88160R1014 | Ticker: TSLA
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Anteil der deutschen Automobilbranche am deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Arbeitsplatzsituation. Die Automobilindustrie trägt erheblich zum deutschen BIP bei. Im Jahr 2023 belief sich die Bruttowertschöpfung der deutschen Automobilindustrie auf rund 127,8 Milliarden Euro, was etwa 4,5% des deutschen BIP entspricht.
Diese Zahl unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung der Branche. Neben der direkten Produktion von Fahrzeugen ist die Zuliefererindustrie ein kritischer Bestandteil der Wertschöpfungskette, die nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zahlreiche Arbeitsplätze schafft.
Insgesamt sind rund 2,2 Millionen Menschen in der Automobilwirtschaft in Deutschland beschäftigt, das sind etwa 7% der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Diese Zahl schließt neben der eigentlichen Herstellung noch den Handel und Dienstleistungen ein, aber auch den Aftermarket, also Reparatur und Wartung von Fahrzeugen sowie den Verkauf von Ersatzteilen.
Entwicklung seit Corona
Die vergangenen vier Jahre haben die deutsche Automobilindustrie vor immense Herausforderungen gestellt: Die Corona-Pandemie führte 2020 und 2021 zu globalen Lieferkettenunterbrechungen und einem starken Nachfragerückgang. Viele Produktionsstätten mussten zeitweise schließen, was in der Folge zu einem Produktionsrückgang führte.
2022 war zwar ein gewisser Erholungseffekt zu beobachten, als die Produktion wieder anlief, allerdings wurde die Branche durch die Lieferengpässe speziell im Bereich Halbleiter und durch steigende Materialkosten erneut stark belastet.
Ab 2023 musste sich die Automobilbranche dann mit einem rückläufigen Absatz, insbesondere im chinesischen Markt, auseinandersetzen, wo die Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren deutlich abnahm. Gleichzeitig wurde die Konkurrenz aus China, vor allem im Bereich der Elektromobilität, stärker, nicht nur in China selbst, sondern auch in Europa und in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Aktien deutscher Automobilbauer wie VOLKSWAGEN (VW), MERCEDES-BENZ und BMW zu sehen.
Die Volkswagen-Aktie hatte jeweils anfänglichen Absatzrückgängen des Unternehmens im Zuge des Diesel-Skandals 2015 und zu Beginn der Corona-Pandemie trotzen können, das Papier befindet sich aber seit Anfang 2021 in einem starken Abwärtstrend – aktuell notiert es knapp oberhalb seiner Corona-Tiefs und seiner Kursniveaus aus dem Jahr 2010. Die Bewertung von Volkswagen ist mit einer Marktkapitalisierung von etwa 45 Milliarden Euro historisch niedrig und die mangelnde Nachfrage nach VW-Aktien dürften hauptsächlich auf den erbitterten Kampf um Marktanteile in China und im Bereich E-Mobilität zurückzuführen sein.
Volkswagen Aktie Chartanalyse – Daily:
Besser sieht die Lage bei Mercedes-Benz aus. Die Aktie von Mercedes hat sich ausgehend von ihren Corona-Pandemie-Tiefs definitiv besser geschlagen als die von Volkswagen, hat allerdings von ihren 2024er-Jahreshochs von 77,45 Euro in den vergangenen sechs Monaten um mittlerweile fast 35% nachgegeben. Ein Grund für die verhältnismäßig solide Performance gegenüber Volkswagen dürfte sich vor allem durch die Positionierung von Mercedes im Premiumsegment finden, wo kurz und knapp gesprochen höhere Gewinn-Margen realisierbar sind; dennoch sieht sich auch Mercedes mangelndem Momentum im Segment E-Mobilität gegenüber.
Mercedes Benz Aktie Chartanalyse – Daily:
Bezogen auf die Aktien-Performance ähnelt der Chart der BMW-Aktie jenem von Mercedes, wenn auch relativ schwächer. Die Aktie hat von ihren Jahreshochs um 115 Euro im April 2024 zwischenzeitlich mehr als 40% eingebüßt, da sich BMW ebenfalls mit Schwierigkeiten bei der Umstellung auf E-Mobilität konfrontiert sieht, die Münchener hinken den aber auch mit innovativen Ansätzen in der Elektrofahrzeugentwicklung schlichtweg hinterher. Überhaupt dürften dDie deutlichen Rückstände der deutschen Autohersteller auf chinesische Wettbewerber, aber auch ganz besonders auf den US-E-Autobauer Tesla und die deutliche Underperformance ihrer Aktien, besonders bei Volkswagen, dürften zuvorderst auf die späte Reaktion auf den Trend zur Elektromobilität zurückzuführen sein.
BMW Aktie Chartanalyse – Daily:
Die Führungskräfte bei Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW haben offenkundig die Bedeutung der E-Mobilität unterschätzt, was sich nun in einem fast uneinholbaren Wettbewerbsnachteil gegenüber Tesla und chinesischen Herstellern wie BYD äußert.
Darüber hinaus ist die fehlende Innovationskraft in Software-Fragen zu erwähnen: Die deutsche Automobilbranche wurde oft als „Scherbenhaufen“ im Bereich Software bezeichnet – und gerade dieses Segment spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen und damit verbundener Mobilität. Zudem sind die Markenpositionierung und Kostensenkungen entscheidend; nicht selten gab es – wohlgemerkt berechtigte – Kritik an der mangelnden Anpassung der Markenstrategie der deutschen Autobauer und der zu langsamen Umsetzung von Kostensenkungen, um im globalen Wettbewerb, besonders mit der chinesischen Konkurrenz, zu bestehen.
Deutsche Autobauer scheinen abgehängt – was könnte für einen Turnaround sorgen?
Eine Wende für die deutsche Automobilindustrie könnte in folgenden Szenarien möglich sein:
1) Starker Fokus auf E-Mobilität und Innovation: Hierzu zählen massive Investitionen in Batterietechnologie, Software und auch den Bereich autonomes Fahren – sie könnten die Wettbewerbsfähigkeit international steigern. Eine stärkere Integration von Zulieferern in den Innovationsprozess könnte ebenfalls hilfreich sein.
2) Strategische Partnerschaften: Hier liegt ein besonderer Fokus auf Kooperationen mit Technologiefirmen oder Start-ups, welche die Innovationskraft der deutschen Automobilbranche wieder ankurbeln könnten.
Volkswagen hat erst kürzlich gezeigt, wie sich diese beiden Punkte kombinieren lassen könnten. So gingen der US-amerikanische E-Autobauer Rivian und Volkswagen ein Joint Venture ein, präsentierten unter dem Namen „Rivian Volkswagen Group Technologies“ (RVGT) eine Kooperation. Abzuwarten bleibt allerdings, ob dieses Joint Venture, besonders für Volkswagen, Früchte trägt. Rivian ist ein finanziell angeschlagenes EV-Startup aus den USA, was sich durch die Kooperation mit Volkswagen dringend benötigte Mittel und Zugang zu einem globalen Produktionsnetzwerk sichert, Volkswagen hingegen profitiert von Rivians technologischer Expertise, erhält zudem starke Softwarekompetenz.
3) Regulierung und Subventionen: Natürlich sind auch politische Unterstützung durch Subventionen für E-Autos und Schutzmaßnahmen gegen Dumpingpreise aus China Möglichkeiten, den Markt zu stabilisieren.
Außer Frage steht, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Turnarounds von der Schnelligkeit und Entschiedenheit abhängt, mit der diese Maßnahmen umgesetzt werden. Ein realistischer Zeitrahmen für eine spürbare Erholung könnte zwischen 5 bis 10 Jahren liegen, abhängig von ökonomischen Bedingungen und technologischen Durchbrüchen – was mit Blick auf den US-Konkurrenten Tesla schon fast wie eine Ewigkeit anmutet, besonders mit Blick auf Teslas kurz vor dem Durchbruch stehendes FSD (Full Self-Driving). Diesem Programm des autonomen Fahrens wird nach der jüngst durch Donald Trump gewonnenen US-Präsidentschaftswahl und ganz besonders dem „Republican Sweep“ im US-Kongress großes Potenzial zugesprochen.
E-Mobilität und Konkurrenz
Aus obigen Zeilen geht bereits deutlich hervor, dass die deutsche Automobilindustrie vor der Herausforderung steht, besonders im Bereich E-Mobilität konkurrenzfähig zu bleiben und hier neben Tesla ganz besonders mit Blick auf die Konkurrenz aus China.
Tesla hat gezeigt, wie schnell ein Unternehmen durch Fokus auf Elektrofahrzeuge und technologische Innovationen wachsen kann. Deutsche Hersteller müssen hier Schritt halten, um nicht weitere Marktanteile zu verlieren. Aber auch chinesische Hersteller haben in der Elektromobilität eine dominierende Position eingenommen, nicht nur durch kosteneffiziente Produktion, sondern auch durch Innovation und staatliche Unterstützung.
Das führt uns zu den politischen Rahmenbedingungen: Die EU und Deutschland setzen bekanntlich stark auf Elektromobilität, was durch strengere Emissionsstandards und Förderprogramme unterstützt bzw. subventioniert wird. Nun könnte dies deutsche Hersteller motivieren, ihre Produktportfolios schneller zu elektrifizieren, aber: Mit Blick auf beispielsweise Rivian offenbart sich, wie unglaublich schwierig es ist, profitabel E-Fahrzeuge „vom Band laufen zu lassen“ und ohne eine Möglichkeit wie etwa Tesla, die Fahrzeugproduktion hier schnell und effizient skalieren zu können, um dann eher früher als später vom sogenannten „Wright'schen Gesetz“ zu profitieren. Wright's Gesetz wurde im Jahr 1936 aufgestellt und besagt, dass eine Technologie oder ein bestimmtes Produkt bei jeder Verdopplung seiner kumulierten Produktionsmenge eine Verminderung der Produktionskosten um einen bestimmten, immer konstanten Prozentsatz erfahren wird. Das erklärt, warum Tesla beispielsweise bei seinen letzten Quartalszahlen Ende Oktober, trotz starker Preissenkungen über die Jahre 2022 und 2023, eine Automobil-Bruttogewinnmarge von 17,1% ausweisen konnte – dieser starke Anstieg der Profitabilität resultiert knapp gesprochen aus stark sinkenden COGS (Kosten verkaufter Fahrzeuge) –, und von solch einer Profitabilität im Segment E-Mobilität sind deutsche Autobauer kilometerweit entfernt.
Fazit
Die deutsche Automobilindustrie steht an einem Scheideweg. Trotz ihrer historischen Stärke und ihres Know-hows bei der Produktion von Verbrennungsmotoren müssen die deutschen Hersteller schnell und effektiv auf den globalen Wandel zur Elektromobilität reagieren. Die Zukunft wird davon abhängen, wie gut sie sich an neue Technologien anpassen und wie sie ihre traditionellen Stärken mit modernen Erfordernissen kombinieren können. Ein erfolgreicher Turnaround ist möglich, erfordert jedoch eine erhebliche Transformation und strategische Weichenstellungen in einer sich rasch verändernden globalen Automobilwelt.
Quelle: xStation5 von XTB
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