Täuschung oder echter Schlag gegen das russische Ölgeschäft?
Papierembargo gegen russisches Öl
Die Europäische Union gab bekannt, dass eine Einigung für das russische Ölembargo erzielt wurde. Und einmal mehr scheint es sich bei den vereinbarten Maßnahmen um ein „Papierembargo" zu handeln. Denn es steht in Frage, inwieweit sich diese Maßnahmen tatsächlich auf die Verfügbarkeit der Rohstoffe auswirken, und ob sie stattdessen nicht eher die Unsicherheit verstärken, die zu Preissteigerungen auf dem Ölmarkt führt. Werden sich die neuen EU-Maßnahmen also tatsächlich negativ auf das russische Ölgeschäft auswirken? Oder werden sie nur zu höheren Preisen führen?
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Konto eröffnen DEMO TESTEN xStation App herunterladen xStation App herunterladenSechstes Sanktionspaket
Die Mitglieder der Europäischen Union haben angekündigt, ein Embargo gegen russisches Öl zu verhängen. Dabei handelt es sich jedoch nur um ein Teilembargo. Russisches Öl, das über Pipelines importiert wird, ist davon nämlich nicht betroffen. Dabei beliefen sich die russischen Öllieferungen in die EU über Pipelines im Jahr 2021 auf rund 750.000 Barrel pro Tag. Etwas mehr als 1,5 Millionen Barrel pro Tag wurden auf dem Seeweg verschifft. Mit den vorherigen Sanktionspaketen war zu erwarten, dass die EU Ende diesen Jahres oder Anfang nächsten Jahres komplett auf russisches Öl und Ölderivate verzichten würde. Nun können wir davon ausgehen, dass sich dieser Prozess beschleunigen könnte. Dabei darf nur nicht vergessen werden, dass russisches Öl weiterhin über Pipelines nach Europa fließt. Ursula von der Leyen, die Chefin der Europäischen Kommission, sagte, dass bis zum Ende diesen Jahres 90% aller russischen Öleinfuhren eingestellt werden sollen. Die verbleibenden 10% werden über Pipelines in die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn sowie aufgrund von „vereinbarten Ausnahmen" über den Seeweg nach Ungarn und Rumänien fließen. Länder wie Polen oder Deutschland werden weiterhin russisches Öl über die Druschba-Pipeline einführen können, was bis zu 1 Million Barrel pro Tag sein können.
Sind Sanktionen und Embargos wirksam?
Neben dem Ölembargo wird das sechste EU-Sanktionspaket auch weitere Sanktionen gegen Banken und Einzelpersonen umfassen. Die Ausfuhr von Energierohstoffen, insbesondere von Öl, ist für Russland jedoch von zentraler Bedeutung. Obwohl einige Länder und Unternehmen beschlossen haben, sich selbst zu sanktionieren und sich von russischen Energierohstoffen fernzuhalten, ist der russische Leistungsbilanzüberschuss auf ein Rekordniveau angestiegen, was vor allem auf die hohen Ölpreise und den künstlich niedrig gehaltenen Wechselkurs des Rubels zurückzuführen ist.
Russland liefert Rekordmengen an Rohöl nach Indien und China. Auch die Einnahmen sind rekordverdächtig, selbst wenn das nach Asien verkaufte Rohöl oft mit einem Preisnachlass von 30 USD pro Barrel verkauft wird. Natürlich sind in diesen Daten auch die Ausfuhren in die EU enthalten, da diese noch nicht gestoppt wurden. Russlands Leistungsbilanzüberschuss im 1. Quartal 2022 erreichte 58,2 Milliarden Dollar! Quelle: Bloomberg, Zerohedge
Es sei auch darauf hingewiesen, dass das Embargo möglicherweise nur teilweise wirksam ist. Ein Blick auf die Daten der Tankerüberwachung zeigt, dass die russischen Ausfuhren in „unbekannte Bestimmungsländer" im April gegenüber März sprunghaft angestiegen sind. Dies könnte sich unter dem neuen Embargo noch verstärken, da einige Länder versuchen könnten, es zu umgehen.
Russisches Öl wird an „unbekannte Ziele" in Europa geliefert, was auf „versteckte Exporte" hindeutet. Diese Lieferungen werden nach Inkrafttreten des Embargos wahrscheinlich zunehmen. Quelle: Twitter, TankerTrackers.com
Es bleibt eine große Unsicherheit
Die EU hat schnell verkündet, dass eine Einigung erzielt wurde, aber viele technische Details sind noch unbekannt und unentschieden. Zunächst einmal ist noch nicht bekannt, wie lange die Ausnahmeregelungen gelten werden. Darüber hinaus haben Polen und Deutschland zwar erklärt, dass sie die Einfuhren von russischem Öl auf Null reduzieren wollen, aber es ist ungewiss, ob sie dies tatsächlich tun werden, da sie das Öl weiterhin über Pipelines einführen dürfen. Außerdem ist immer noch ungewiss, ob Maßnahmen ergriffen werden, um die Verschiffung von russischem Öl in Länder außerhalb der EU zu verbieten. Etwa 1/4 aller Tanker sind in Griechenland registriert. Die EU will die Versicherung von Tankern mit russischem Rohöl verbieten, aber Griechenland und einige andere Länder wollen in diesem Fall „Ausnahmen".
Ist Öl bereits überbewertet?
Trotz der angespannten Lage ist der Ölmarkt mehr oder weniger ausgeglichen. Nach wie vor wird viel russisches Öl nach Europa geliefert, und auch die Einfuhren aus dem Nahen Osten, insbesondere aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien, nehmen zu. Die größten OPEC-Produzenten haben aufgrund der geringeren Nachfrage aus Asien, wohin immer mehr russisches Öl geliefert wird, immer noch freie Kapazitäten. Außerdem ist das EU-Ölembargo bereits seit einiger Zeit eingepreist, s dass die Gefahr von Gewinnmitnahmen besteht, wenn sich das Risiko verwirklicht.
Die Backwardation (Kassapreise über dem Terminpreis) auf dem Brent-Markt überstieg 4 USD pro Barrel für den aktuellen und den nächsten Monat. Derartige Extremsituationen waren in der Vergangenheit nur von kurzer Dauer, was darauf hindeutet, dass der Ölpreis jetzt überkauft sein könnte. Quelle: Bloomberg
Eine derart starke Backwardation deutet auf eine sehr hohe kurzfristige Nachfrage auf dem Ölmarkt hin. Daher ist eine Fortsetzung der Gewinne auf kurze Sicht nicht auszuschließen. Die nächstgelegene Widerstandszone auf dem Brent-Markt befindet sich im Bereich von 123-125 USD, und hier könnte es zu einer angebotsseitigen Reaktion kommen. Auf Monatssicht werden die Preise wahrscheinlich fallen, aber im Bereich von 100-110 USD bleiben. Quelle: xStation 5
Maximilian Wienke, CFTe
Marktanalyst bei XTB
maximilian.wienke@xtb.de
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